Aus den Augen – Aus dem Sinn?

Sinn und Unsinn der CO2-Speicherung

Unter der Moderation von Frau Struß-von Poellnitz fand am 7. November im Wall-Saal der Stadtbibliothek unsere Podiumsveranstaltung im Rahmen der Umwelt Tage Bremen 2012 statt.

Prodiumsteilnehmer: Annemarie Struß-von Poellnitz, Malte Kock, Prof. Dr. Stefan Rill, Klaus Prietzel

Das hochkarätige Podium beschäftigte sich nach dem vermeintlichen Aus für die unterirdische Lagerung (CCS), durch Umweltminister Altmeyer bereits im August verkündet, vorrangig mit den Nutzungsmöglichkeiten von Algen.


Seitens des Umweltbundesamtes stellte der für erneuerbare Energien zuständige Malte Kock (Präsentation) grundlegende Informationen über die verschiedenen Arten von Algen und ihre Leistungsfähigkeit dar. So beeindrucken neben der Tatsache, dass es ca. 400.000 Algenarten weltweit gibt, vor allem die biologische und chemische Leistung: Jedes zweite Molekül Sauerstoff wird von Algen gebildet und die Biomasseproduktivität von Algen ist 5-10 mal größer als die von Landpflanzen.

Malte Kock

Auch die Werthaltigkeit ist auf den ersten Blick überzeugend:

  • Der Proteingehalt beträgt bis zu 50% der Trockenmasse
  • Fette ebenfalls bis zu 50%
  • Kohlehydrate und antibiotische Wirkstoffe
  • Zahlreiche für Pharmazie, Kosmetik und Nahrungsergänzung benötigte Stoffe.


Eine klare Einschränkung machte Malte Kock allerdings: im Vergleich zu Photovoltaik und Wind ist die Energieleistung pro Fläche deutlich geringer. Technisch gesehen untersucht das UBA landgebundene Bioraffinerien, die unterschieden werden in offene Systeme in Becken oder Wannen, Röhrensysteme und Plattenreaktoren.

Prof. Dr. Stefan Rill

Detaillierter wurde die ganze Technik dann von dem Unternehmer Prof. Dr. Stefan Rill (Präsentation) von Phytolutions, einer Ausgründung der Jacobs University (JU), erläutert. Die Firma arbeitet weltweit in Kooperationen und ihr Geschäftsmodell basiert auf zwei Standbeinen. Einmal frühzeitig wirtschaftlich mit den vom UBA genannten Wertstoffen am Markt erfolgreich zu sein und mit diesen Erträgen und den an der JU gebotenen Forschungsmöglichkeiten die Erzeugung von Biotreibstoffen aus Algen bis zur Marktreife weiterzuentwickeln.

Laut Stefan Rill ist dies vor allem eine Frage der künftigen Preisentwicklung auf dem Ölmarkt, die nicht nur von peak oil beeinflusst wird, sondern auch von den drastischen Einsparvorgaben der Luftfahrtindustrie, die sich vorgenommen hat, den CO2 Ausstoß bis 2050 um ca. 50% zu senken. Insofern sind die Anstrengungen und Kooperationen der Firma auch langfristig im Bereich der Biokerosinproduktion angelegt – ebenso wie die allgemeine Politik der CO2 Reduzierung. Dass Stefan Rill aus der Luft- und Raumfahrt kommt und bei Airbus gearbeitet hat, macht die Verknüpfung zu Biokerosin auch nachvollziehbar.

Phytolutions setzt auf die maritime Produktion von Algen, weil im Vergleich dazu bei der Erzeugung von 1 Liter Biodiesel durch landseitige Biomasse 5000 Liter Süßwasser verbraucht werden und im Meer in Form von Salzwasser, Sonnenlicht und Dünger alles für die Produktion vorhanden ist.

Stefan Rill sieht sich in diesem Bereich vor allem in der Phase von Forschung und Versuch; es existieren noch viel zu wenig Daten und für die Forschung verfügbare Algenbiomasse. Parallel hat man auch landseitige Versuche unternommen, indem Algen direkt durch Rauchgase aus der Müllverbrennungsanlage Bremen Nord oder einem Kohlekraftwerk mit CO2 „gefüttert“ wurden; sinnvollerweise sollen in solchen Recyclingproduktionen auch die sonstigen vorhandenen Energien wie städtische Abwässer und industrielle Abwärme als Produktionsmittel für die Zucht der Biomasse verwendet werden.

Derzeit sei Biokerosin noch 3 mal so teuer wie herkömmlicher Kraftstoff. Aber mit der zu erwartenden Verteuerung und den Einsparvorgaben der Luftfahrtindustrie zeigt sich Stefan Rill optimistisch, dass auch von Seiten seiner Firma ein Beitrag in der Klimapolitik geleistet werden kann.

Klaus Prietzel vom BUND widersprach den Ausführungen der beiden Fachleute seitens des Naturschutzverbandes. In seinen Augen sind die Herausforderungen durch die CO2 Belastung – vor allem im Verkehrsbereich – nicht durch Algenproduktion in den Griff zu bekommen. Das könne – wenn überhaupt – nur zu ganz geringfügigen Entlastungen führen. Die genannten Belastungen machen es erforderlich, dass wir uns insgesamt einschränken, nicht nur was die Mobilität anbelangt sondern auch die Ernährung, weil alle diese Faktoren zu dem erhöhten Treibhausgasausstoß beitragen.

Malte Kock, Prof. Dr. Stefan Rill, Klaus Prietzel

Copyright der Fotos liegt bei Jennifer Petry

Der einzige Weg zur Lösung eines globalen Problems sind weltweite lokale Lösungen. Ich glaube, es gibt eigentlich überhaupt nichts, was ausschließlich global wäre. Alles Globale hat vielmehr lokale Wurzeln.

Dr. Vandana Shiva, Trägerin des Alternativen Nobelpreises 1993